top of page

Physician Assistant - Ein neuer Beruf für eine neue Versorgung

Autorenbild: Hendrik BollenHendrik Bollen

Der zunehmende Ärzt*innenmangel stellt eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem dar, da immer weniger Ärzt*innen zur Verfügung stehen, um eine wachsende und alternde Bevölkerung zu versorgen. Parallel dazu schreitet die Ambulantisierung voran, was bedeutet, dass immer mehr Behandlungen und Eingriffe außerhalb des stationären Krankenhausumfelds stattfinden. Diese Entwicklungen erfordern innovative Lösungen und flexible Strukturen in der medizinischen Versorgung, um eine qualitativ hochwertige Betreuung sicherzustellen. 


Physician Assistants in Deutschland

Der Physician Assistant, kurz PA, oder auf deutsch “Arztassistent” ist ein akademisch medizinischer Beruf. PAs arbeiten im ärztlichen Team und übernehmen dort Tätigkeiten, um Ärzt*innen in ihren Kernaufgaben zu entlasten und zu unterstützen. Der Physician Assistant ist dem ärztlichen Dienst unterstellt. 

Der Beruf des Physician Assistants ist seit vielen Jahrzehnten vor allem in den USA und weiteren angloamerikanischen Ländern, seit knapp 20 Jahren auch in den Niederlanden, etabliert. 2021 wurde der Beruf auf Platz 1 der Trendberufe in den USA gewählt und genießt dementsprechend dort mit über 180.000 Absolvent*innen eine große Bekanntheit und Akzeptanz (AAPA, 2024).


2005 startete der erste Studiengang in Deutschland. Mittlerweile bieten über 24 Hochschulen an mehreren Standorten den Studiengang an. Jedes Wintersemester starten rund 1.800 Studierende das Bachelorstudium zum Physician Assistant (Meyer, 2024). Während die Anzahl an Physician Assistants stetig steigt, entwickelt sich der Arbeitsmarkt für diese Berufsgruppe ebenfalls dynamisch weiter. Besonders der ambulante Sektor, in dem bislang nur rund 10 % aller Physician Assistants tätig sind, zeigt einen zunehmenden Bedarf an diesen Fachkräften. Immer mehr Praxen sehen sich gezwungen, innovative Lösungen zu finden, um sowohl die Patient*innenversorgung sicherzustellen als auch den zunehmenden Ärzt*innenmangel zu bewältigen. Der Physician Assistant kann hier als wichtige Schnittstelle fungieren, um Versorgungslücken zu schließen und den Praxisbetrieb zu entlasten.


Trotz dieses wachsenden Potenzials haben viele Gesundheitseinrichtungen das Berufsbild des Physician Assistants noch nicht vollständig erkannt oder den Mehrwert ihrer Arbeit ausreichend verstanden. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt im Mangel an Informationen und der unzureichenden Standardisierung des Berufsbildes. Bis heute fehlt es an zentralen Abschlussprüfungen, die eine Qualitätssicherung sowie Vergleichbarkeit der Ausbildungsstandards der Hochschulen gewährleisten würden. Zudem existiert bislang kein eigenständiges Berufsgesetz für den Physician Assistant.

Die aktuelle Rechtsgrundlage bezieht sich primär auf Delegationsvereinbarungen im Bundesmantelvertrag sowie auf die Empfehlungen der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Diese bieten jedoch keine umfassende Regulierung des Berufsbildes. Berufspolitische Stimmen, insbesondere aus den Reihen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen, fordern daher immer lauter nach einer klaren gesetzlichen Regelung und Standardisierung. Ziel ist es, den flächendeckenden Einsatz von Physician Assistants auch im ambulanten Sektor nachhaltig zu ermöglichen und rechtlich abzusichern.


Tätigkeiten

Ein Physician Assistant übernimmt ärztlich delegierbare Tätigkeiten. Ein spezifisches Berufsgesetz für diese Berufsgruppe existiert derzeit nicht. Die Berufsausübung basiert daher auf der Delegation ärztlicher Aufgaben an nichtärztliches Personal, was beispielsweise im Bundesmantelvertrag geregelt ist. Ärztliche Vorbehaltsaufgaben, wie das Verschreiben von Arzneimitteln (§48 Arzneimittelgesetz) oder die Durchführung von Transfusionen (§13 Transfusionsgesetz), dürfen hingegen nicht delegiert werden.

Im Jahr 2017 veröffentlichte die Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine umfassende Empfehlung zum Berufsbild der Physician Assistants. In dieser Empfehlung wurden über 90 Tätigkeiten definiert, von denen viele laut Ärztekammer "selbstständig und situationsadäquat in Kenntnis der Konsequenzen" durchführbar sind (Bundesärztekammer, 2017). Diese Empfehlung dient bis heute als Grundlage für zahlreiche Konzepte und Tätigkeitsprofile. Derzeit wird die Empfehlung grundlegend überarbeitet, um dem schnell wachsenden Berufsbild und den sich verändernden Versorgungsbedürfnissen gerecht zu werden.

Physician Assistants führen im Rahmen der Delegation eine Vielzahl medizinischer Tätigkeiten durch. Sie nehmen Patient*innengespräche auf, um eine erste Anamnese zu erheben, führen körperliche Untersuchungen durch und setzen diagnostische Verfahren wie die Sonographie ein. Zudem entnehmen sie Blutproben und verabreichen Medikamente, werten Laborergebnisse und EKGs aus, assistieren bei Operationen und sind in die Dokumentation sowie die Planung der weiteren Behandlung eingebunden. Abhängig von ihrer Qualifikation und Erfahrung kann das Tätigkeitsfeld der PAs erweitert werden, um spezialisierte Aufgaben zu übernehmen.


Grundsätzlich dürfen Physician Assistants nur Aufgaben übernehmen, die ihrem Studium und ihrem Kompetenzbereich entsprechen. Sie dürfen keine eigenständigen Diagnosen stellen oder Therapiepläne erstellen, sondern müssen stets unter Aufsicht von Ärzt*innen arbeiten. Kritische Entscheidungen und invasive Eingriffe sind den Ärzt*innen vorbehalten, während Physician Assistants eher unterstützende und routinemäßige Tätigkeiten übernehmen.

Durch die Delegation dieser Aufgaben wird die Arbeitsbelastung der Ärzt*innen reduziert und eine effiziente Patient*innenversorgung gewährleistet. Physician Assistants können somit wesentlich zur Entlastung des Gesundheitssystems und zur Sicherstellung der Versorgung beitragen, indem sie Routineaufgaben übernehmen und den Ärzt*innen ermöglichen, sich auf komplexere medizinische Entscheidungen zu konzentrieren.



Kontinuität als Mehrwert

Der Einsatz von Physician Assistants kann einen erheblichen Mehrwert im Gesundheitswesen bieten. Durch die Übernahme von ärztlichen Leistungen können sie zur Minderung des Ärzt*innenmangels beitragen, die Ärzt*innen entlasten und Kapazitäten für die Betreuung neuer Patient*innen schaffen. Im Gegensatz zu Weiterbildungsassistenten rotieren PAs nicht und verbleiben langfristig in ihren Abteilungen, wodurch eine konstante und tiefgehende fachliche sowie abteilungsspezifische Kenntnis gewährleistet ist (Starck et al, 2021). Zudem können PAs ärztliche Aufgaben in Bereichen übernehmen, in denen wenig oder keine Assistenzärzt*innen eingesetzt werden, wie beispielsweise in ambulanten Operationszentren, Level 1i-Kliniken und Praxen, und somit die Versorgung in diesen Einrichtungen entscheidend verbessern.



 

Quellen:

American Academy of Physician Assistants (AAPA). (2024). PA named 2nd best health care job by U.S. News & World Report. Auszug vom 21. September 2024 von https://www.aapa.org/news-central/2024/01/pa-named-2-best-health-care-job-by-u-s-news-world-report-2/

Bundesärztekammer. (2020). Empfehlungen der Bundesärztekammer zum Einsatz von Physician Assistants (PA) im Gesundheitswesen. Auszug vom 21. September 2024 von https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/Fachberufe/Physician_Assistant.pdf

Meyer, T. (2024). Physician Assistant Zeitschrift, 2024/01. Weiteres Wachstum und erste Masterabsolvent:innen - PA Zahlen in Deutschland. https://www.hochschulverband-pa.de/wp-content/uploads/2024/08/PA-Zahlen-in-Deutschland-2024-Physician-Assistant.pdf 

Starck, C., Beckmann, A., Böning, A., Gummert, J., Lehmann, S., Hoffmann, M., Hüttl, P., Markewitz, A., Borger, M., & Falk, V. (2021). Physician Assistants – Eine effektive und sinnvolle Erweiterung des herzchirurgischen Behandlungsteams.



Das Titelbild wurde mithilfe einer KI generiert und stammt von Canva.


 

Über den Autor:

Ich bin Hendrik Bollen und ich habe 2015 den Studiengang Physician Assistant (B.Sc.) studiert. Danach habe ich in der Chirurgie und vor allem 4,5 Jahre in einer Zentralen Notaufnahme gearbeitet. Während meiner klinischen Arbeit als Physician Assistant habe ich schnell gemerkt, welchen Impact das Berufsbild haben kann und welche Möglichkeiten und Potenziale zugleich mit der neuen Profession im deutschen Gesundheitswesen

entstehen. Seit fast vier Jahren unterstütze ich Gesundheitseinrichtungen und Unternehmen, den Physician Assistant zielgerichtet und nachhaltig zu implementieren - von der ländlichen Hausarztpraxis bis zum universitären Maximalversorger.




Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Ach, damals

コメント


bottom of page