Der nächste Schritt ist, diese zahlreichen Vorteile digitaler BGM-Lösungen möglichst
flächendeckend in die Praxis zu übertragen. Während es meist das junge, dynamische,
digitalaffine Großstadtunternehmen im Dienstleistungssektor ist, das in den Netzwerken
LinkedIn und Xing die Best Practice-Beispiele hervorbringt und das digitale BGM (dBGM) in
den Köpfen verankert, zeigen sich je nach Branche, Unternehmensgröße und
Mitarbeitendenschaft jedoch verschiedene Hürden.
Umsetzungshürden im ländlichen Raum und in der Produktionsbranche
So kommen beispielsweise auf dem Land zwei Faktoren zusammen:
Dort sind meist klein- und mittelständische Unternehmen angesiedelt. Diese stehen größtenteils bereits beim analogen BGM vor Hürden, durch die kein BGM- oder nur BGF-Maßnahmen umgesetzt sind (zum Unterschied siehe dBGM - Teil 1).
Der höhere Altersdurchschnitt im ländlichen Raum führt zu auch einem höheren Durchschnittsalter der Belegschaft als in städtischen Best Practice-Unternehmen. Vielen älteren Mitarbeiter*innen kann entweder die Erfahrung mit oder aber auch Affinität zu digitalen Anwendungen fehlen (vgl. Junker & Kaluza, 2017). Im ländlichen Raum besteht bei der Umsetzung eines dBGM die Herausforderung, auch die ältere Generation, die zum einen die größte Mitarbeitendenschicht darstellt und zum anderen dem größten Krankheitsrisiko ausgesetzt ist, zu erreichen.
Ein weiteres Beispiel ist die Branche des produzierenden Gewerbes:
Dort haben Mitarbeiter*innen während der Arbeitszeit aufgrund von Sicherheits- und Hygienevorschriften in vielen Fällen keinen Zugriff auf private digitale Geräte. Dadurch können die Mitarbeiter*innen dBGM-Anwendungen meist nur in der Freizeit und nicht im Betrieb (als primäres Setting des BGM) nutzen.
Eine weitere Hürde stellt hier die innerbetriebliche BGM-Kommunikation dar. So verfügen Mitarbeiter*innen an Produktionsarbeitsplätzen oftmals über keine dienstliche E-Mailadresse für BGM-Newsletter oder regelmäßigen Intranetzugang für dortige BGM-Plattformen und Aushänge (vgl. Junker & Kaluza, 2017). In Branchen, in denen ein Großteil der Mitarbeiter*innen dem primären Sektor, wie dem Produktionssektor, angehört, besteht bei der Umsetzung eines dBGM die Herausforderung, keine Gruppen von BGM-Angeboten auszuschließen.
Anpassungsmöglichkeiten von dBGM an verschiedene Mitarbeitendengruppen
In der Corona-Pandemie und ihrer Wirkung als Digitalisierungskatalysator wurde vielfach
vermittelt, dass jegliche Unternehmen jetzt handeln und langfristig auf digitale
Gesundheitslösungen für ihre Mitarbeiter*innen setzen müssen, um zu bestehen. Dabei
sollte jedoch nicht vergessen werden, dass dies nicht in jedem Fall bedeutet, das Best
Practice-BGM des jungen Dienstleistungsunternehmens aus der Großstadt 1:1 übernehmen
zu müssen.
Viel wichtiger als eine schwarz-weiß Frage „analog oder digital?“ ist, das Angebots- und
Maßnahmenspektrum zielgruppen- und bedarfsgerecht anzupassen und auszurichten.
Hierbei können unter anderem geeignete Analyseinstrumente mit partizipativem Ansatz, wie Mitarbeiterumfragen oder Kleingruppenworkshops, den Unternehmen Aufschluss geben (vgl. Hoß, 2020; Olbrecht, 2020).
So können Best Practice-Beispiele auch jenseits der jungen, dynamischen, digitalaffinen
Großstadtunternehmen verankert werden und anderen Unternehmen mit
Herausforderungen bei der Implementierung eines (digitalen) BGMs als Leuchtturm dienen.
Das langfristige Fazit aus der Corona-Pandemie für das BGM sollte daher nicht sein, dass ein
dBGM analoge Maßnahmen komplett ersetzen kann. Sondern neue, erweiterte
Möglichkeiten bietet, das BGM eines Unternehmens individuell an verschiedene
Mitarbeitendengruppen und Herausforderungen anzupassen.
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Quellen:
Junker, Nina; Kaluza, Antonia (2017): Möglichkeiten und Grenzen im digitalen BGM aus
Unternehmenssicht. In: David Matusiewicz und Linda Kaiser (Hrsg.): Digitales Betriebliches
Gesundheitsmanagement, S. 633.
Hoß, Katharina (2020): Mitarbeiterpartizipation in einem ganzheitlichen BGM. In: David
Matusiewicz, Claudia Kardys und Volker Nürnberg (Hrsg.): Betriebliches
Gesundheitsmanagement: analog und digital, S. 226f.
Olbrecht, Thomas (2020): Erfolgsfaktor Mitarbeiterpartizipation. In: David Matusiewicz,
Claudia Kardys und Volker Nürnberg (Hrsg.): Betriebliches Gesundheitsmanagement: analog
und digital, S. 235f.
Über die Autorin:

Katja Stenzel studiert im Master Gesundheitsökonomie an der Uni Bayreuth und brennt für alles rund um das Thema Gesundheitsförderung und Prävention. Praktische Einblicke erwarb sie in Praktika in Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) im Produktionssektor, Public Health auf Bundesebene und Gesundheitsförderung auf Krankenkassenebene. Derzeit vertieft sie als Werkstudentin ihre BGM-Kenntnisse im IT-Dienstleistungssektor.
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