ePA, E-Rezept, etc. - Was macht die Apotheke mit der TI
- Sven Morgenstern
- 28. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Das Gesundheitswesen gilt generell als wenig digital, oft genug heißt es „Papier ist geduldig / Ist das Fax durch? / Nein, aus Datenschutzgründen können wir das nicht per Mail machen“. Leider stimmt diese Beobachtung noch viel zu häufig im Alltag, vor allem wenn es um die direkte Versorgung von Patient:innen und ihren Kontakt mit dem Gesundheitswesen geht. Am Beispiel der öffentlichen Apotheke möchte ich daher einmal aufzeigen, wie bei diesen „Schubladenziehern“ die Digitalisierung sichtbar wird und wie dies, konsequent richtig gemacht, die Patient:innenversorgung erheblich verbessern kann.
Status quo: Eine Bestandsaufnahme der Digitalisierungsgegner
Viele Prozesse laufen in der Apotheke bereits digital ab. Das fängt bei der Optimierung des Warenlagers an, geht über die regelmäßige Lieferbarkeitsabfrage und Bestellung von fehlenden Arzneimitteln bis zur digital eingereichten Rechnung. Nur die Interaktion mit den Patient:innen erfolgte bis 2024 weitestgehend analog über das rosafarbene Muster-16-Rezept. Doch seit Beginn des vergangenen Jahres müssen fast alle Arzneimittel digital als elektronisches Rezept (kurz: E-Rezept) verordnet werden. Die noch fehlenden verordnungsfähigen Arznei- und Hilfsmittel wie Betäubungsmittel oder Verbandsstoffe werden über die nächsten Jahre folgen. Mit Beginn 2025 wird die medizinische Historie der GKV-Versicherten verpflichtend standardmäßig in der elektronischen Patientenakte (kurz: ePA) gespeichert. Kritiker:innen sehen hier verschiedene, besorgniserregende Punkte wie die Anfälligkeit für technische Störungen oder datenschutzrechtliche Bedenken. Bei einem Ausfall der TI könnten so keine Rezepte mehr ausgestellt und Patient:innen versorgt werden. Da Ärzt:innen im Zweifel aber immer auf Stift und Papier zurückgreifen und den Patient:innen die Verordnung direkt in die Hand drücken können, wären wir schlimmstenfalls wieder auf dem Stand von 2023. Ein Hacker-Angriff auf die ePA könnte den Zugang zu hochsensiblen Gesundheitsdaten ermöglichen. Mit wie wenig Aufwand das möglich ist, hat im Dezember 2024 der Chaos Computer Club auf dem 38C3 bewiesen [1], als er mehrere Wege aufgezeigt hat, wie leicht man sich sowohl die Identitäten von Patient:innen als auch Leistungserbringenden beschaffen kann und wie sogar über Kleinanzeigen.de remote-Zugriff auf die Telematikinfrastruktur und die damit verbundenen Daten möglich ist. Doch auch dieser berechtigte Einwand muss ins Verhältnis gesetzt werden zu den Chancen und potenziellen Gewinnen, die uns eine moderne TI bieten kann. Prinzipieller Datenschutz darf nicht jede sinnvolle Datennutzung zur Verbesserung der Patient:innenversorgung verhindern. Um dem erheblichen Gefahrenpotenzial zu begegnen, müssen die Zugänge zum System daher besonders gesichert sein und die Daten nur für legitimierte Nutzende einseh- und bearbeitbar sein.
Chancen begreifen: Mehr Gegenwart wagen
Während in Deutschland 2024 Ärzt:innen nur durch Androhung von empfindlichen Regressen zur Umsetzung des E-Rezepts gebracht werden können, ist uns Estland, wo dieselbe europäische DSGVO gilt wie bei uns auch, bei der Digitalisierung Jahre voraus. Aktuell beträgt der Rückstand in der Digitalisierung unseres Gesundheitssystems 15 - 20 Jahre [2, 3]. Eine ganze Reihe europäischer Länder von Portugal bis Albanien hat ebenfalls längst E-Rezepte eingeführt. Selbst Österreich hat im Sommer 2022 geschafft, auf elektronische Verordnungen zu wechseln. Als Vergleich: In den USA waren bereits 2020 84 % der Verschreibungen digital [4].
Doch mittlerweile können sogar wir das Potenzial der Digitalisierung zur Verbesserung der Patient:innenenversorgung nutzen: Ein Patient hat unspezifische Beschwerden und konsultiert seinen Hausarzt über die Videosprechstunde, entlastet so das Wartezimmer vor Ort und reduziert das Ansteckungsrisiko im selben und auf dem Weg in die Praxis. Anschließend kann der Arzt eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz: eAU) ausstellen, die direkt an den Arbeitgeber übermittelt wird und seinem Patienten ein Antibiotikum als E-Rezept ausstellen. Dieser könnte nun mit seiner eGK, die er am Quartalsbeginn einmal in der Praxis hat einlesen lassen, zu uns in die Apotheke vor Ort kommen und dort vermutlich erfahren, dass aufgrund der Lieferengpässe bei Arzneimitteln weder ein Rabattpartner seiner Krankenkasse noch ein Arzneimittel einer anderen Firma gerade vorrätig ist, aber zumindest zum frühen Nachmittag bestellt werden kann. Da unser Patient aber unnötige Kontakte vermeiden und niemanden sonst anstecken möchte, nutzt er die E-Rezept-App der gematik, über die er sein E-Rezept ebenfalls bei einer Apotheke seiner Wahl einreichen kann und wählt dort die Option des Botendiensts, um noch am selben Tag mit seiner Therapie beginnen zu können. Durch seine in diesem digitalen Bestellvorgang hinterlegten Daten wird er zeitnah über den Lieferstatus durch den digital gut aufgestellten Apotheker informiert, welcher auch direkt eine telepharmazeutische Beratung durchführt und ihn zu Einnahmehinweisen und möglichen Interaktionen zu seiner bestehenden Dauermedikation berät. Diese Beratung findet auf Wunsch des Patienten entweder klassisch telefonisch oder per Videocall bspw. via WhatsApp statt, doch in absehbarer Zukunft wird auch hier der von der gematik entwickelte und aktuell in Testung befindliche TI-Messenger Abhilfe schaffen und eine sicherere Kommunikation bieten – zuerst für Heilberufler:innen untereinander und später auch zugänglich für Patient:innen.
Unser Patient nutzt das elektronische Rezept auch für die Einlösung seiner Bluthochdrucktherapie, für die er sich alle drei Monate eine neue Verordnung ausstellen lässt. Hierfür würde ihm sein Hausarzt gerne eine Mehrfachverordnung über die nächsten drei Quartale ausstellen, die sich zu einem festgelegten Zeitpunkt automatisch aktiviert [5]. Doch da dann in den Folge-Quartalen der Folge-Verordnung kein Behandlungsfall in der Praxissoftware gegenübersteht [6], befürchtet der Hausarzt Regresse durch die Krankenkasse, sodass er stattdessen seinen gut eingestellten Patienten alle drei Monate in die Praxis einbestellen muss – oder zumindest seine Versichertenkarte. Für uns in der Apotheke bietet das E-Rezept grundsätzlich den großen Vorteil, dass theoretisch alle für die Abrechnung relevanten Daten in der Verordnung hinterlegt sein müssen, sodass die Quote der fehlerhaft ausgestellten Rezepte nahe Null liegt. Insbesondere bei der Einlösung zulasten der GKV funktioniert die Erkennung der Gültigkeit sehr gut und bei Verordnung eines Arzneimittels über seine Pharmazentralnummer (PZN) werden direkt die aktuell geltenden Rabattverträge und der vom Arzt gesetzte Preisanker berücksichtigt. Sollte aus Gründen der Nichtverfügbarkeit oder bspw. einer bestimmten Formulierung der Arzneiform von der ersten Stufe des Rabattvertrags abgewichen werden, erscheint im Anschluss an die Arzneimittelauswahl direkt ein Begründungsfeld, um die Abweichung für die Krankenkasse zu dokumentieren, um Retaxen zu vermeiden. Leider fehlt in den Praxisverwaltungssoftwares der Ärzt:innen eine Kontrolle auf formale Vollständigkeit, sodass es immer noch möglich ist, fehlerhafte E-Rezepte auszustellen, die wir dann im Gegenzug zu Papierrezepten nur schwer korrigieren können. So kann von den Ärzt:innen auch eine Freitext-Verordnung ausgestellt werden, in der bspw. eine Individualrezeptur verschrieben werden kann, aber auch den Namen eines Fertigarzneimittels mit einer nicht auf dem Markt verfügbaren Stärke oder Packungsgröße. Letzteres verhindert im schlimmsten Fall die Versorgung der Patient:innen, wenn die kleinste verfügbare Packungsgröße, die wir dann nur abgeben dürfen, gerade nicht vorrätig, aber die sofortige Versorgung eigentlich notwendig ist, z. B. aufgrund anstehender Feiertage. In diesen Fällen müssen wir die Patient:innen häufig zurück in die Praxis schicken, v. a. wenn selbige weder über KIM (Kommunikation im Medizinwesen) noch telefonisch erreichbar ist. Bei einer ordnungsgemäß ausgestellten Verordnung bietet sich bei Nichtverfügbarkeit jedoch die Möglichkeit, von der Verschreibung abzuweichen und entweder eine Teilmenge oder Tabletten einer geringeren Dosisstärke abzugeben und den Abrechnungskriterien der Krankenkasse zu entsprechen.
Insgesamt ermöglicht das E-Rezept bereits jetzt, die Versorgung besser und flexibler für die Patient:innen zu gestalten, als es im analogen Versorgungsprozess möglich war.
Während die direkte, datenschutzrechtlich abgesicherte Kommunikation durch den TI-Messenger noch nicht möglich ist, steht den Heilberufler:innen mit KIM zumindest eine sichere E-Mail-Verbindung zur Verfügung, um Dateien wie E-Rezepte oder Befundergebnisse bspw. für Medikationsanalysen zu übermitteln. Gerade für die Verblisterung der Medikation von Pflegeheimbewohnenden ist dies eine gute Möglichkeit, die lückenlose Therapie zu gewährleisten.
Blick in die Zukunft
Bereits jetzt bietet uns das E-Rezept die Möglichkeit, belieferte Verordnungen tagesaktuell abzurechnen, statt wie bisher nur alle 14 Tage die gesammelten GKV-Rezepte an die Rechenzentren zur Vorprüfung für die Abrechnung mit den Krankenkassen zu schicken. Dies gibt die Hoffnung, dass die Vergütung durch die Krankenkassen zukünftig deutlich zeitnaher erfolgt, sodass die Versorgung mit besonders teuren und innovativen Arzneimitteln gerade für kleinere Apotheken nicht länger das hohe wirtschaftliche Risiko bedeutet, wie es heute noch der Fall ist.
Die elektronische Patientenakte hingegen wird insbesondere am Anfang leider noch nicht in der Lage sein, die Erwartungen und Wünsche einer digitalen Gesellschaft zu erfüllen, da es sich zunächst nur um eine Sammlung von PDF-Dokumenten und einzelnen Ergebnissen von bildgebenden Verfahren handeln wird. Doch mit den Updates zur jetzt kommenden “ePA für alle” steht zu hoffen, dass dann strukturierte Datensätze hinterlegt werden, mit denen man als Heilberufler noch besser arbeiten kann – vielleicht dann mit Version 4.0. So sollten dann Interaktionen verschiedener Arzneimittel automatisch erkannt werden (Stichwort: AMTS) oder auch therapeutische Maßnahmen je nach Erfolgswahrscheinlichkeit individuell für die Patient:innen vorgeschlagen werden. Auch besteht die Hoffnung, dass sämtliche Heilberufler:innen die Kompetenzen ihrer Kolleg:innen anerkennen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfolgt, die die Patient:innensicherheit noch weiter verbessert. Wenn dann auch klinische Daten hinterlegt und sogar der Einsatz künstlicher Intelligenz implementiert wird, könnten sogar auch unstrukturierte Daten ausgewertet sowie Behandlungsleitlinien als Algorithmen in die Auswertungs- und Assistenzsysteme eingebaut werden. Wenn dann auch noch die entsprechenden Schnittstellen zur Verfügung stehen, können im Rahmen des EHDS (European Health Data Space) in den Bereichen Patient:innenversorgung und Gesundheitsforschung Entwicklungen zum Positiven möglich sein, die zumindest im heutigen Deutschland noch undenkbar sind.
Quellen:
1 https://media.ccc.de/v/38c3-konnte-bisher-noch-nie-gehackt-werden-die-elektronische-patientenakte-kommt-jetzt-fr-alle# aufgerufen am 07.01-2025
2 https://www.pro-magazin.de/milliardenbetraege-im-gesundheitswesen-sparen/ aufgerufen am 14.01.2025
3 https://ap-verlag.de/digitalisierung-im-gesundheitswesen-dringend-notwendig-20-jahre-rueckstand-in-sechs-jahren-aufholen/89258/ aufgerufen am 14.01.2025
4 https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/datenschutz-als-verhinderungswaffe-der-fortschritt-und-seine-feinde-kolumne-a-0cd491dd-425f-4f17-b204-581fc0a0b947 aufgerufen am 04.01.2025
5 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/mehrfachverordnung-jetzt-als-e-rezept-moeglich-139845/ aufgerufen am 02.01.2025
6 https://www.kbv.de/html/erezept.php aufgerufen am 02.01.2025
Das Titelbild wurde mithilfe einer KI generiert und stammt von Canva.
Über den Autor:

Ich bin Sven Morgenstern, seit Ende 2021 Apotheker und setze mich seitdem für mehr interprofessionelle Zusammenarbeit der verschiedenen Heilberufe ein. Auch die (mangelnde) Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eines meiner Herzensthemen, denn wenn wir im Privaten alles vital und mit dem Smartphone erledigen, warum müssen wir dann beruflich noch auf das Fax angewiesen sein?
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