Die personalisierte Medizin markiert einen Paradigmenwechsel in Diagnostik und Therapie – insbesondere bei Tumorerkrankungen. Durch genetische, klinische und Lebensstil-Daten entstehen maßgeschneiderte Behandlungsstrategien, die individuell auf Patient*innen zugeschnitten sind. Diese Ansätze versprechen nicht nur effektivere Therapien, sondern auch eine verbesserte Lebensqualität.
Diese Entwicklung stellt das Gesundheitswesen jedoch vor neue Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Personalbedarf.
Vielfalt der Tätigkeitsprofile in der personalisierten Medizin
Die Anforderungen an Fachkräfte in der personalisierten Medizin sind hoch und verlangen spezialisierte Kenntnisse. Hierzu gehören vor allem die effiziente Verarbeitung großer Datenmengen sowie die Ausrichtung auf individuelle Patient*innenbedürfnisse. Um den Herausforderungen der personalisierten Medizin gerecht zu werden, sind Expert*innen aus folgenden Fachbereichen involviert:
Genetik: Diese Disziplin erforscht Genmutationen, die Krankheiten verursachen, und entwickelt diagnostische Tests, anhand deren Ergebnisse Behandlungsstrategien abgeleitet werden.
Bioinformatik: Fachkräfte analysieren molekularbiologische Daten, um Muster zu erkennen und Vorhersagen über die Wirksamkeit von Behandlungen zu treffen.
Klinische Onkologie: Ärzt*innen entwickeln individuell angepasste Therapiepläne zur Behandlung von Krebserkrankungen.
Pathologie: Ärzt*innen analysieren Proben auf Gewebeveränderungen, um gegebenenfalls weitere Diagnostikverfahren einzuleiten. Diese Rolle ist besonders wichtig für die Identifizierung spezifischer Tumortypen und die Wahl der richtigen Therapie.
Ethik und Recht: Fachkräfte gewährleisten, dass die personalisierte Medizin ethischen und rechtlichen Anforderungen genügt, besonders bei Datenschutz und Patient*innensicherheit. Sie setzen sich mit Herausforderungen wie der Nutzung von Forschungsdaten auseinander.
Dazu gehören auch übergreifende Disziplinen wie Gesundheitsinformatik, die Informationssysteme für den Datenaustausch entwickelt, und Versorgungsforschung, die untersucht, wie Innovationen effektiv ins Gesundheitssystem integriert werden können. Die personalisierte Medizin vereint verschiedene Fachdisziplinen, um die Behandlung und Diagnose von Krankheiten zu revolutionieren.
Der demografische Wandel und die sich wandelnden Arbeitsmarktbedingungen erschweren zunehmend die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften. Insbesondere im öffentlichen Gesundheitswesen stellen finanzielle Engpässe und die veränderten Ansprüche verschiedener Generationen eine Herausforderung dar. Einrichtungen stehen vor der dringenden Frage: Wie können wir effektiv Fachkräfte mit den benötigten speziellen Kompetenzen anwerben?
Interdisziplinarität als Schlüssel zum Erfolg
Interdisziplinarität ist zentral für die personalisierte Medizin. Fachkräfte aus verschiedenen Disziplinen wie unter anderem Onkologie, Genetik, Datenwissenschaft, Psychologie, Informatik, Pharmazie, Soziologie, Biologie, Medizin, Physik und Mathematik müssen eng zusammenarbeiten, um innovative Behandlungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Dies fördert Lösungen, beschleunigt diagnostische und therapeutische Prozesse und verbessert die Patient*innenversorgung.
Interdisziplinäres Denken ist ein wesentlicher Soft Skill. Diese Kompetenz ist entscheidend, um unterschiedliche Perspektiven zu integrieren. Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und analytisches Denken sind unerlässlich, um zwischen verschiedenen Disziplinen zu vermitteln und gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln. Im Recruiting wird daher besonderer Wert auf interdisziplinäre Kompetenz und Diversität gelegt. Ziel ist es, Teams zu formen, die die Anforderungen bewältigen können und ein inklusives sowie innovatives Arbeitsumfeld schaffen.
Notwendigkeit spezialisierter Weiterbildungsangebote
Vernetztes Denken und Handeln gewinnen zunehmend an Bedeutung. Daher sind spezialisierte Weiterbildungen wichtig, um Fachkräften zu helfen, ihre interdisziplinären Kompetenzen zu vertiefen. Aktuell besteht jedoch ein Mangel an zugeschnittenen Weiterbildungsprogrammen, die den komplexen Anforderungen gerecht werden. Viele der benötigten Fähigkeiten sind neu und spezialisiert, was zu einer Lücke an erfahrenen Fachkräften führt. Ein umfassendes „Curriculum personalisierte Medizin“ könnte diese Lücke schließen. Ein solches Curriculum würde interdisziplinäres Training für verschiedene Fachrichtungen beinhalten und die fachübergreifende Kompetenz verbessern. Durch Investitionen in die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter*innen können die notwendigen Fähigkeiten vermittelt werden, um den stetig steigenden Anforderungen der personalisierten Medizin gerecht zu werden. Ferner ist es wichtig, Kapazitäten für Praktika und akademische Förderung wie Promotionsvorhaben bereitzustellen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu stärken und den Fachkräftemangel effektiv zu bekämpfen.
Digitalisierung als Wegbereiter
Eine standardisierte und strukturierte Datenerhebung ist essenziell für die personalisierte Medizin. Die Digitalisierung ist entscheidend für die Optimierung der Erhebung, Sammlung und Erfassung von Daten. Spracherkennungssoftware für Arztbriefe und Tumordokumentation kann Prozesse automatisieren und effizienter gestalten. Aktuelle Systeme in Krankenhäusern sind oft nicht für die effiziente Handhabung großer Datenmengen ausgelegt, was den Arbeitsaufwand erhöht. Verbesserte Digitalisierung optimiert die Arbeitsbedingungen und verbessert die Verteilung der Fachkräfte über regionale Grenzen hinweg. Dies fördert eine umfassendere Patient*innenversorgung und trägt zu einer breiteren Rekrutierungsstrategie bei.
Attraktivität als Arbeitgeber steigern
Um als attraktiver Arbeitgeber in der personalisierten Medizin zu gelten, müssen die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Während die Umsetzung von New Work-Konzepten nicht überall möglich ist, ist es notwendig, flexibel auf moderne und innovative Arbeitsvorstellungen der Bewerber*innen zu reagieren. Dies ist besonders wichtig, da direkte Konkurrenz um Talente mit gut finanzierten Sektoren der Biotechnologie und pharmazeutischen Industrie besteht.
Diese Konkurrenz wird auch durch die Arbeitsbedingungen verschärft. Viele Stellen, besonders im wissenschaftlichen Bereich, sind tarifgebunden und häufig mit befristeten Verträgen versehen, was die dauerhafte Bindung von Talenten erschwert. Um langfristig die Qualität in Diagnostik und Therapie zu sichern und gleichzeitig Talente effektiv anzuziehen und zu binden, sind grundlegende Änderungen in den Vertragsbedingungen und in der Arbeitsgestaltung erforderlich. Durch die Verbesserung dieser Bedingungen kann die personalisierte Medizin als fortschrittlicher und attraktiver Arbeitsbereich etabliert werden, der qualifizierte Fachkräfte dauerhaft anzieht und hält.
Gemeinsam die personalisierte Medizin gestalten
Die personalisierte Medizin steht vor einer Revolution in der Behandlung von Krankheiten, besonders in der Onkologie. Ihr Erfolg hängt von engagierten und qualifizierten Fachkräften und effektiver interdisziplinärer Zusammenarbeit ab. Durch gezielte Aus- und Weiterbildung, innovative Arbeitsmodelle und konsequente Digitalisierung können wir die Potenziale dieser Medizin voll ausschöpfen und das Leben vieler Patient*innen verbessern.
Bei dem Titelbild handelt es sich um ein KI-generiertes Bild.
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten und Meinungen sind ausschließlich die der Autorin und stehen in keinem Zusammenhang mit anderen Organisationen oder Unternehmen.
Über die Autorin:
Yvonne Reichelt hat einen Hintergrund in der Soziologie und einen Master of Science in Medizinmanagement. Als HR Managerin am Molekularpathologischen Zentrum & Zentrums für Personalisierte Medizin des Universitätsklinikums Heidelberg bringt sie Erfahrung im Personalmanagement im Bereich der personalisierten Medizin mit. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit bei der Personalauswahl, um die innovativen Ansätze der personalisierten Medizin erfolgreich umzusetzen.
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